Die Landschaft ist bunt

Die Gemarkung von Königheim/Brehmen ist im Vorbeifahren betrachtet eine offene, geschwungene Landschaft, von Ackerbau geprägt. Lässt man das Auge jedoch ruhen und tritt man näher an die Felder heran, bemerkt man feine Farbunterschiede und Strukturen: Hier wird sanftgrüner Einkorn und blauer Lein angebaut und bunte Wicken blühen zwischen dem Getreide. Die Feldraine sind nicht nur kurz und grün gemulcht, sondern es blühen dort ausgesäte blaue Kornblumen und rosa Malven. Das ist das Werk von Uwe Wüst, seiner Familie, Freunden und Partnern.

Bauländer und Indianer

Vor sechs Jahren ist Uwe Wüst wieder auf den elterlichen Betrieb zurückgekommen. Der gelernte Landwirt hat sich einige Zeit die Welt angesehen, hier und da in der Landwirtschaft gearbeitet und verschiedene Volkskulturen kennengelernt. Uwe Wüst vereint in seiner Person eine Mischung aus Heimatverbundenheit, großes landwirtschaftliches Wissen, Lebensfreude und einen Hauch von Indianertum. Er hat zunächst 20 Hektar Pachtfläche eines Landwirts seiner Heimatgemeinde übernommen, dann den elterlichen Betrieb und heute bewirtschaftet er 148 Hektar in biologisch-dynamischer Anbauweise.
Uwe Wüst verwirklicht auf seinem Gemischtbetrieb mit zahlreichen innovativen Ansätzen eine eindrückliche Arten- und Strukturvielfalt. Die Förderung von Vielfalt auf seinen Nutzflächen ist integraler Bestandteil des Bewirtschaftungssystems.

Ein Sämann mit Neugier am Pflanzenbau und Freude am Blütenmeer

Die Vielfalt beginnt mit dem Anbau zahlreicher Kulturarten und -sorten. Mit den Arten Dinkel, Einkorn, Erbeweizen, Leindotter, Linsen, Schwarzgerste und Speiselein ist seine Liste der Kulturen noch nicht vollständig aufgezählt. Die Qualität und Verträglichkeit von alten Sorten sind dem Betriebsleiter wichtig. Gemenge- und Mischanbau, extrem flache, nicht wendende Bodenbearbeitung und blütenreicher Feldfutterbau gehören zu den ackerbaulichen Grundlagen des Betriebes.
Das Feldfutter wird hauptsächlich rotierend von der Rinderherde abgeweidet. Breite Ackerrandbereiche oder Inseln werden als Winterstrukturen bis in den nächsten Sommer stehen gelassen. Auf dem Betrieb gibt es Dauerrandstreifen sowie eingesäte Blühstreifen, unter anderem mit Buchweizen und Sonnenblumen. Die stehenden Körbe der Sonnenblumen können als Insektennistplätze dienen. Der Heudrusch einer artenreichen Wiese wurde zur Ansaat von Säumen genutzt. Die Kornrade als selten gewordener Kulturfolger wird mit dem Getreide ausgesät und es werden Lichtstreifen im Acker belassen. All diese Maßnahmen führen zu einer blühenden, strukturreichen Ackerbaulandschaft.

Moderne, naturschonende Technik, die begeistert – alte Kulturtechniken ebenso

Bei dem Einsatz von Maschinen setzt der Betrieb auf besonders naturschonende Techniken, wie z. B. <eines modernen Doppelmesser-Mähwerks, eines Stoppelhobels, einer Ringschneide und eines besonderen Striegels. Durch eine möglichst reduzierte Eingriffshäufigkeit schafft der Betrieb störungsarme Lebensräume auf seiner Nutzfläche, mit dem Nebeneffekt einer geringeren Arbeitsbelastung. Von den reduzierten Arbeitsgängen profitiert z. B. die Feldlerche, die dann ungestört brüten kann.
In der Tierhaltung werden alte Techniken wiederentdeckt, getestet und sinnvoll in den Betrieb integriert. So erprobt Uwe Wüst beispielsweise die Schnaitelwirtschaft (Laubheugewinnung zur Viehfütterung) und praktiziert ganzjährige Außenhaltung. Er schafft damit durch diese Art der Nutzung neue Strukturen in der Landschaft. Die parzellierten Weiden der Freilandschweine sind zum Beispiel selten gewordene Strukturen für ein Dorfumfeld von heute. Durch den regelmäßigen Wechsel der Parzellen begrünen sie sich auch bei ganzjähriger Beweidung immer wieder selber. Solche Lebensräume haben nicht nur Bedeutung für Insekten und Vögel, sondern ziehen gleichzeitig auch den Menschen an: Es macht einfach Spaß, Schweine und Ferkel so zu beobachten.
Wirtschaften mit den vielfältigen Möglichkeiten der Natur fasziniert den Betriebsleiter Uwe Wüst und seinen Partner Dirk Appel, der insbesondere für die Arbeit mit den biologisch-dynamischen Präparaten zuständig ist. Den Umgang mit Boden, Pflanzen und Tieren verstehen beide als Dialog. «Nachhaltige Landwirtschaft steht nicht im Gegensatz zu Naturschutz, sondern ergänzt ihn. In der aktuellen Situation ist jedoch sehr viel Aufbauarbeit zu leisten, die zunächst vielleicht unwirtschaftlich erscheinen mag, sich aber langfristig als nützlich und notwendig erweisen wird», so Uwe Wüst.

«Zeit haben ist uns wichtig, Zeit haben, sich am Leben zu freuen»

Familie Wüst und ihre Partner geben ihr Wissen und Ideen gerne weiter, z. B. in Form von Feldbegehungen. Was sie von ihren Gästen erwarten ist, dass sie sich Zeit nehmen und nicht immer von einem Termin zum anderen hetzen. Außerdem werden Projekte mit Schulklassen durchgeführt, und die Zusammenarbeit mit den Lehrern befindet sich im Ausbau. Kontaktpflege zu Kunden wird ebenfalls großgeschrieben. Sie läuft über die Direktvermarktung, die Teilnahme an Hoffesten anderer Betriebe oder an Weihnachtsmärkten sowie über Erzeugertreffen von Großkunden und Naturkostläden der Region. Um die Verbindung zwischen den Menschen des Ortes und dem Hof zu pflegen, gehören zum Beispiel die Gestaltung von Erntedankaltaren mit ungewöhnlichen Kulturpflanzen oder die Bereitstellung einer Betriebsfläche für eine Ski-Liftanlage.

Für dieses «Feuerwerk» an innovativen Ideen im Ackerbau und in der Tierhaltung und für die Begeisterung, die der Betriebsleiter und seine Partner ausstrahlen und es verstehen, diese auf die verschiedenen Besuchergruppen zu übertragen, erhält der Betrieb den Förderpreis Naturschutzhöfe 2006.