Warum nicht düngen?
Mit „Düngen» ist an dieser Stelle das aktive Ausbringen von synthetischen Düngemitteln, Mist, Gülle, Tiermehl und Klärschlamm, neuerdings auch von Resten aus Biogasanlagen gemeint. Es ist klar, dass jede Pflanze einen gewissen Nährstoffbedarf hat, der für ihr Wachstum zur Verfügung stehen muss. Besondere Beachtung wird dabei dem Stickstoff zugemessen, der heute zu dem Düngestoff schlechthin erklärt ist, um den sich alle Überlegungen drehen. Diese Ansicht scheint uns sehr einseitig. Der Stickstoffbedarf lässt sich relativ einfach durch Leguminosen (Erbsen, Bohnen, Klee, Lupinen usw.) als Vorfrucht decken, die in der Lage sind höchsteffizient den Luftstickstoff für Pflanzen verfügbar in den Boden zu bringen. Hochleistungssorten reichen jene Stickstoffmengen nicht aus, um befriedigende Erträge zu erzielen. Sie müssen gesondert oder zusätzlich gedüngt werden.
Höhere Stickstoffgaben bringen gewiss höhere Massenerträge, doch insbesondere die innere Qualität der Ernte wird schlechter und eine Vielzahl von Pflanzenkrankheiten, Schädlingsbefall usw. werden provoziert. Außerdem haben viele Böden Düngereserven aus der Vergangenheit, die mit tief wurzelnder Vorfrucht wieder in obere Bodenschichten gebracht und von flacher wurzelnden Nutzpflanzen erschlossen werden können.
Die mineralische und synthetische Düngung bewirkt einen Rückgang der Bodenlebewesen und längerfristig die Versalzung von Böden. Überdüngung belastet durch Auswaschung das Grundwasser, was für alle Formen des Düngens gilt. Mit synthetischen Düngern wird von der Agrochemie, neben den Pflanzenschutzmitteln, eine Menge Geld verdient. Teilweise sind es Abfälle aus chemischen Prozessen, die als Dünger gewinnbringend „entsorgt» werden.
Ähnliches gilt für die organischen Düngemittel (Mist, Gülle, Tiermehl und Klärschlamm usw.), die ebenfalls häufig faktisch Abfälle eine tierbetonten Landwirtschaft und Überflussgesellschaft darstellen, und auf den Feldern entsorgt werden. Problematisch sind dabei ersten die großen Flächen, die so versorgt werden, und zweitens, dass sie meist nicht ausreichend kompostiert sind. Somit werden Keime, die zwar zum Kompostprozess gehören, aber durchaus gesundheitsschädlich sind, großflächig verteilt, und Pilz-, Bakterien- und Virusprobleme provoziert. Keimtötendes Erhitzen beispielsweise von Tierabfällen ist nicht hinreichend, da die Abbauprozesse nach der Ausbringung neu starten und sich die entsprechenden Mikroorganismen wie auf einem (keimfreien) Substrat explosionsartig vermehren, bis sie von den Organismen der nächsten Abbaustufe abgelöst werden. Bei diesen Prozessen entstehen Emissionen sowohl von CO2 wie auch z. B. Lachgas (N2O), das als 300mal klimaschädlicher gilt als CO2 und auch schlimme Auswirkungen auf das Mikroklima haben.
Ein weiteres, noch recht wenig erforschtes Gebiet ist der Düngemittelfluss nach natürlichen Rhythmen. Immerhin ist man schon soweit, dass Düngergaben in der vegetationsfreien Zeit stark eingeschränkt sind. Beobachtungen zeigen aber weiter, dass bei gleicher Düngergabe zu unterschiedlichen Zeitpunkten völlig unterschiedliche Effekte im Pflanzenwachstum hervor gerufen werden: Kleine Gaben zum rechten Zeitpunkt erzeugen üppigeres Wachstum, als große Gaben zum falschen Zeitpunkt, Düngerauswaschungen verhalten sich selbstverständlich umgekehrt.
Insgesamt wird langsam deutlich, dass mit der industriellen Agrarproduktion im Grunde mehr Energie in Form von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln aufgewendet wird, als die Ernte schließlich ergibt. Auf Grund vielfältiger Verwicklungen und Kunstgriffe, rechnet sich dieser Raubbau jedoch betriebswirtschaftlich und wird immer noch praktiziert. Wenn wir den sich anbahnenden Herausforderungen gerecht werden wollen, muss sich auch auf dem Gebiet der Düngerwirtschaft vieles ändern. Wir brauchen Konzepte, jenseits dessen, dass einzelne Konzerne sich durch Misswirtschaft kurzfristig bereichern und dabei die Überlebensfähigkeit der gesamten Menschheit aufs Spiel setzen. Und diese Konzepte gibt es!