Was sind „Alte Sorten“?
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war in Europa der Bauer gleichzeitig Züchter. D. h. er nahm von der Ernte einen m. o. w. ausgewählten Teil beiseite, um ihn wieder auszusäen. Dadurch bildeten sich im Laufe der Ackerbaugeschichte eine Vielzahl von Regionalsorten aus, die an ihren Standort angepasst waren.
Im Zuge der modernen Landwirtschaft übernahmen die Zuchtarbeit immer mehr Spezialisten, die schließlich auch zunehmend sowohl ihre Arbeit als auch ihren Berufstand zu schützen suchten. 1934 wurde in Deutschland die erste Verordnung über Saatgut erlassen, was den Berufsstand des Züchters rechtlich entstehen ließ und gleichzeitig verschwanden über 90 % der bis dahin gebräuchlichen Regionalsorten. Die Rechte des Züchters endeten damals immerhin mit dem Verkauf des Saatgutes.
Nach weiteren saatgutrechtlichen Entwicklungsschritten entstand um 1995 das internationale Saatgutrecht. Nur noch „geprüftes Saatgut“ darf seither gehandelt werden, das ein standardisiertes Prüfungsverfahren durchlaufen hat. Dieses Zulassungsverfahren kostet Geld und rentiert nur für Saatgut mit großen Umsatzmengen, Regionalsorten fallen bei dem standardisierten Prüfverfahren häufig durch und können die Kosten des Verfahrens selten erwirtschaften. Auf das Saatgut wird noch eine Zulassungsgebühr erhoben, an der der Züchter teilhat.
Heute wird Saatgut teilweise schon patentiert, so dass bereits der Anbau von Eigenschaften gebührenpflichtig wird bzw. dem Erzeuger (Bauer) der Zugang zum Saatgut rechtlich verweigert werden kann.
Mit dieser Entwicklung ging die Konzentration des Zuchtgeschäftes auf ganz wenige multinationale Agrounternehmen einher. Die Souveränität des Landwirts wurde und wird immer weiter eingeschränkt.
„Alte Sorten“ haben sehr spezielle Eigenschaften, die sie in speziellen Anbausituationen oder -regionen entfalten können. Dort wachsen sie normalerweise ohne besondere Dünge- und Pflanzenschutzmaßnahmen mit unterscheidbaren Qualitäten. Des Weiteren sind alte Sorten samenfest, d. h. sie können – im Gegensatz zu Hybridsaaten – immer wieder nach gebaut werden. Meist bringen alte Sorten nicht die Erträge moderner Hochleistungssorten, vertragen auch nicht so hohe Düngergaben, plündern dafür den Boden nicht aus. Sie sind, wenn sie in den Betrieb hineinpassen, meist pflegeleicht, auf ihrem Niveau sehr ertragssicher und glänzen mit besonderem Geschmack und Inhaltstoffen. Bei steigenden Rohstoffkosten in der Landwirtschaft sind dies Eigenschaften, die an Bedeutung zunehmen.