Warum nicht pflügen?
Pflügen schädigt den Boden, der die Grundlage für dauerhafte Fruchtbarkeit ist. Die Krümelstruktur wird nachhaltig zerstört, was auch für andere intensive Bodenbearbeitungsmaßnahmen wie z. B. Fräsen gilt. Die Folge sind Verschlämmung, vermindertes Wasserhaltevermögen und erhöhte Erosion. Da insbesondere das tiefe Pflügen sehr schwere Maschinen erfordert, entstehen Tiefenverdichtungen, die wiederum kurzfristig nur mit noch schwereren Maschinen aufgebrochen werden können. Deren Folge sind ebenfalls Erosion des Oberbodens und Ortsteinbildung (Verdichtungsboden, der wasserundurchlässig ist und auch von Pflanzenwurzeln nicht durchdrungen werden kann) an der Pflugsohle mit Staunässe, weil Regenwasser nicht mehr vom Boden aufgenommen wird. Die dramatischsten Auswirkung sind Muren (Erdrutsche), Überschwemmungen und Stoßbelastungen des Grundwassers durch ausgewaschene Dünge- und Pflanzenschutzmittel.
Der Energiebedarf beim Pflügen ist ernorm. Oft sind die angeschafften Schlepper auf den größten Zugkraftbedarf beim Pflügen ausgerichtet. Diese schwere Geräte werden dann auch für kleinere Arbeiten genutzt, was unsinnig hohen Kraftstoffbedarf und weitere unnötige Verdichtungen bei leichteren Arbeiten auf Acker- und Wiesenflächen nach sich ziehen.
Tief gepflügter Boden verliert seine Lebendverbauung. Da die Lebendverbauung größtenteils als Wurzelmasse vorliegt, setzt deren Zerstörung durch Abbauprozesse erhebliche Mengen an CO2 in die Atmosphäre frei was zusätzlich zur Klimaerwärmung beiträgt. Auch die Regenwurmpopulationen, die „Speerspitze» der Bodenorganismen, werden stark geschädigt und können sogar völlig aussterben.
Das Pflügen gilt insbesondere im abendländischen und im ostasiatischen Raum als heilige Handlung. Im alten China musste der Kaiser alljährlich durch Pflügen seine Verbundenheit mit dem Volk und der chinesischen Kultur demonstrieren. Die ursprünglich tatsächliche Bestellung eines kaiserlichen Ackers verkam mit der Zeit zu einem rituellen Spektakel, bei dem schließlich mehr gefeiert als gearbeitet wurde. Trotzdem spiegelte sich in der Zeremonie die Wichtigkeit des Pflügens im kulturellen Zusammenhang.
Auch in der vorchristlichen Zeit des antiken Griechenlands, dem Römischen Reich, bei den Germanen und den Kelten hat der Pflug und das Pflügen eine besondere Bedeutung zum einen als Symbol für die Kulturleistung, zum anderen als konkrete Basis der Landwirtschaft, die letztlich ein ganzes Reich, es mag noch so groß sein, trägt. Intelligente Landwirtschaft war schon immer die Grundlage erfolgreicher Kulturen; es trugen freilich auch geografische und klimatische Begünstigungen dazu bei, eine Kultur zur Hochkultur aufsteigen zu lassen. Gerade der keltische und der daraus weiter entwickelte römische Pflug wurde zu einer richtungweisenden Errungenschaft wenigstens in der abendländischen Landwirtschaft. In vielen Bibelstellen taucht der Pflug als wesentlicher Ausgangspunkt kultureller Leistung auf. In vielen Waldorfschulen wird das Pflügen als soziale Initiation zelebriert und nicht zuletzt leuchtet in dem Schlagwort der Friedensbewegung „Schwerter zu Pflugscharen» die heilige Bedeutung des Pfluges auch in der Gegenwart auf.
Diese „alten» Pflüge wurden bis in die nahe Gegenwart von Tieren oder sogar von Menschen gezogen. Dies begrenzte die Arbeitstiefe auf „natürliche» Weise. Der o. a. keltische oder römische Pflug ritzte die Scholle mehr, als dass im heutigen Sinne von Pflügen gesprochen werden kann. Der wendende Pflug, d. h. dass die Scholle gedreht wurde, kam ohnehin erst zur Mitte des ersten Jahrtausends im Abendland auf.
Arbeitstiefen von 10, 20, 30 und noch mehr Zentimetern Tiefe ermöglichten erst die schweren Schlepper ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dieses Pflügen ist mit dem „heiligen Pflügen» der vorindustriellen Zeit überhaupt nicht zu vergleichen. Nunmehr entstand ein wahrer Teufelskreis aus Verdichtung durch immer schwerere Maschinen und der Notwendigkeit nach immer tieferer Lockerung der Böden. Dabei läuft der Bauer allerdings seinem Tun stets hinterher: Der Schlepper diktiert das Geschehen, nicht mehr die Idee des Landwirts. Weitere Folgen sind großflächige Erosionsprobleme und sinkende Erträge, die nur mit erhöhtem Düngemitteleinsatz (noch) kompensiert werden können. Außerdem stirbt alles Bodenleben und der lebendige Acker wird zum reinen Substrat, das Wind und Wetter schutzlos ausgeliefert ist. Was ist aus unseren Böden seit Einführung der modernen Agrotechnik und -chemie geworden? Wir sind an einem Scheidepunkt angekommen, der immer weniger Gestaltungsspielräume lässt.
Doch damit nicht genug! Das moderne Pflügen schädigt nicht nur unsere Böden, sondern schluckt Unmengen der knapper werdenden Energieressourcen. Jeden Zentimeter tiefer quittiert der Schlepper mit größerem Durst. Die Energiebilanz moderner Landwirtschaft wird immer kritischer: Es wird mehr Energie in Form von Kraftstoff und synthetischen Düngern aufgewendet, als am Ende vom Acker geerntet wird. Die Differenz wird mit Subventionen oder Ressourcenverbrauch bezahlt. So erkennen mittlerweile selbst agroindustriell geprägte Erzeuger, dass auch am Pflügen gespart werden muss. Große Flächen in den USA müssen pfluglos bewirtschaftet werden und auch im Zuge der Agrogentechnik wird damit geworben nicht mehr pflügen zu müssen und damit große Mengen an Energie ein zu sparen. Und selbst der „aufgeklärte» konventionelle Landbau verzichtet immer häufiger auf den Pflug, indem nur noch alle paar Jahre in der Fruchtfolge gepflügt wird.
Was soll dieses Pflügen bewirken? Neben der vermeintlichen Lockerung wird zunächst tatsächlich der Unkrautdruck etwas gedämpft. Allerdings zieht man sich hartnäckigere Unkräuter, die das Pflügen überleben und den Platz der ausgemerzten einnehmen – ein weiterer Teufelskreis wird in Gang gesetzt.
Das Märchen von der «Frostgare», dass der gepflügte Boden über den Winter durch den Wechsel von Frost und Auftauen eine besonders lockere Gare bekäme, glaubt heute kein ernsthafter Bodenkundler mehr – trotzdem geistert diese Vorstellung noch durch viele Bauern-, Gärtner- und Hausgärtnerköpfe. Eine gute Bodengare braucht keine «Frostgare» und wenn keine gute Gare vorhanden ist, so verschlämmt die vermeintliche «Frostgare» nach dem ersten Regen in den Zustand vor dem Frost.
Schließlich – und dies ist noch recht neu in der Debatte – verursacht das Pflügen erhebliche CO2-Emissionen aus den Böden, da die Lebendverbauung zerstört wird und die Zersetzungsgase des organischen Materials aus der so genannten Schwarzbrache dünsten. Dies ist vor allem dafür verantwortlich, dass die moderne Landwirtschaft keineswegs uneingeschränkt als CO2-Speicher gelten kann; es ist eher das Gegenteil der Fall! Selbst der Kraftstoffverbrauch ist gegenüber diesen Emissionen fast vernachlässigbar.
Trotzdem ist pfluglose Landwirtschaft nicht automatisch eine umweltverträglichere. Wenn ein „sauberes» Saatbeet statt mit dem Pflug mit Unkrautvernichtungsmitteln hergestellt wird, wie beispielsweise bei bestimmtem „Genmais», dann bleiben die Erosions- und Ausdünstungsprobleme bestehen und es kommen noch Pestizidbelastungen hinzu, von den anderen Risiken ganz abgesehen. Man muss also auch hier sehr genau hinschauen und darf sich von einfachen Schlagworten nicht irre machen lassen. Manche Dinge sind eben in sehr komplexen Zusammenhängen zu betrachten.